Der Artikel des Bergsträßer Anzeigers vom 08. November 2023:
Lorsch. Feueralarm ertönte mit der Handkurbelsirene, und sofort rückten acht Mitglieder der Lorscher Feuerwehr aus. Ungewöhnlich ausgerüstet, gekleidet wie vor Jahrzehnten üblich und in einem ausnahmsweise eher beschaulichen Tempo machten sie sich ans Werk. Denn es handelte sich bei der Aufgabe der Feuerwehr am vergangenen Sonntag um eine Schau-Übung, und zwar um eine ganz besondere – eine mit historischem Gerät. Die Gruppe unter der Leitung von Kommandant Theo Wahlig absolvierte sie erfolgreich. Die Zuschauer am Feuerwehrhaus, die alles aus der Nähe miterleben durften, bedankten sich mit Applaus und Bravo-Rufen.
Im Mittelpunkt stand eine feuerrote Motorspritze. Sie ist fast 100 Jahre alt. Dass sie funktionstüchtig ist, darauf ist die Feuerwehr zurecht stolz. Lorscher Mitglieder haben das gute Stück nämlich wieder einsatzbereit gemacht. Das war viel Arbeit. Fast 300 Tage hat es gedauert. Die Übung am Sonntag wurde deshalb in ein „Reparaturfest“ eingebettet. Die Stimmung bei allen Teilnehmern war sehr gut. Hermann Helmling kümmerte sich darum, dass die Gäste nicht hungrig blieben.
Die Motorspritze, um die sich alles drehte, haben viele Bergsträßer schon in der Vergangenheit bewundert. Sie steht seit langer Zeit als Blickfang am Eingang des Lorscher Feuerwehrmuseums. Im Jahr 1925 kam sie nach Lorsch. Damals handelte es sich um die erste Motorfeuerpritze im einstigen Kreis Bensheim, wie der frühere Stadtbrandinspektor Franz Josef Schumacher berichtet. Die Lorscher Feuerwehr, so weiß man in der Klosterstadt, sei stets „sehr fortschrittlich“ gewesen. Die Anschaffung war auf Kosten der Gemeinde gelungen. 6420 Reichsmark wurden ausgegeben. Eine Kopie der Rechnung der Feuerwehrgerätefabrik
Carl Metz aus Karlsruhe ans Bürgermeisteramt vom November 1925, in der bis zu den Petroleum-Balancier-Platzfackeln, alle Zubehörteile aufgelistet sind, ist heute noch im Lorscher Feuerwehrmuseum zu sehen.
Die zweirädrige Benzinmotorfeuerspritze war natürlich nicht fürs Museum gekauft worden. Sie war zum Schutz der Bevölkerung erworben worden und nicht nur in Lorsch, sondern auch in Bensheim und Heppenheim im Einsatz, unter anderem bei einem großen Brand im Stubenwald, erinnerte für die Feuerwehr René Gieser.
Aufgabe sehr schwierig
Die Unterbeschäftigung in den Jahren, in denen die Spritze fast „nur“ noch als Museumsschmuckstück diente, hat ihr möglicherweise zu schaffen gemacht. Die Spritze machte jedenfalls mit einer Ermüdungserscheinung auf sich aufmerksam. „Eine Pleuelstange war gebrochen und hatte das Motorengehäuse durchschlagen“, so Schumacher. Den Motorschaden wollte die Feuerwehr gern beheben. Problem allerdings: „Eine Reparatur war fast unmöglich“, sagt Schumacher. Die Herstellerfirma des Motors gibt es schließlich schon seit Jahren nicht mehr. Angebote wurden eingeholt. Bis zu 15.000 Euro wurden verlangt. Die Lorscher Feuerwehr machte sich also auf die Suche nach einem Austauschmotor, den sie wieder in die Pumpe einbauen wollte. Die Ausdauer zahlte sich aus.
Es musste zwar ein neuer Zwischenring gedreht werden und auch eine andere Kupplung eingebaut werden – aber nun ist die knapp 100 Jahre alte Spritze wieder topfit und man könnte mit ihr ein Feuer löschen, wenn man in der Handhabung des historischen Geräts geübt ist. Theo Wahlig, Maschinist Peter Helmling und der Wasserund Angriffstrupp, dem Nils Nolte, Thomas Schumacher, Marcel Jochem, Franz-Josef Schumacher, Klaus Rickers und Wilfried Staudigel angehörten, könnten es, wie sie jetzt eindrucksvoll bewiesen.
Ohne den „Chefmaschinisten“ und erfahrenen Kfz-Schlosser wären die Reparatur und das Fest jedoch nicht möglich gewesen, lobte Schumacher unter dem Beifall der Gäste den Einsatz von Theo Wahlig. Als Dank und Anerkennung für die Reparatur der Motorspritze, die der Herstellerbetrieb gemäß der Erstauslieferung der Serie „Typ Lorsch“ benannte, wurde Wahlig mit einem Präsent geehrt. Auch Wahligs jahrzehntelange Tätigkeit für die Ausstattung der Feuerwehr hob der Stadtbrandinspektor a.D. hervor.
Für die Vorführung beim Reparaturfest hatte die Feuerwehr auf dem Gelände in der Nibelungenstraße einen Brunnen für die Wasserversorgung nachgebaut. Als die Spritzenmannschaft in der früher üblichen olivfarbenen Baumwollkleidung, mit Helmen und mit breiten Koppelriemen ausgerüstet zur Übung antrat, eine Gießkanne aus Zink mit dabei, saßen alle Handgriffe perfekt. Die Spritze knatterte laut und die Schläuche füllten sich mit Wasser, das schließlich in hohem Bogen aus dem Strahlrohr schoss.
Herzenssache fürs Museumsteam Auch Georg Heger freute sich sehr darüber, dass alles wie am Schnürchen klappte. Als Gründer des Feuerwehrmuseums ist ihm die Einsatzbereitschaft der Motorspritze eine „Herzensangelegenheit“, wissen seine Kollegen. Heger kann über die zahlreichen Exponate, die im Kellergeschoss des Feuerwehrhauses ausgestellt sind, detailliert informieren.
Die Lorscher Wehr, 1877 gegründet, zeigt dort Uniformen und Spritzen von anno dazumal, Orden, Feuerlöscher und Atemschutzgeräte, Drehleitern, Hydrantenwagen, eine Luftschutzhausapotheke aus den 1930er Jahren und manches schöne Stück, um das andere Feuerwehren Lorsch beneiden: eine Handdruckspritze von 1781 zum Beispiel oder ein Löschfahrzeug von 1924.
Geöffnet ist das sehenswerte Feuerwehrmuseum jeden zweiten Sonntag im Monat von 10 bis 12.30 Uhr.